Ist das Ende der Sichtbarkeit von kommunaler Politik gekommen?

Kommunale politische Kommunikation steht vor einer großen Herausforderung. Wie kann dieser entgegengetreten werden?

Seit 1995 hat sich die Auflage der regionalen Zeitungen fast halbiert und viele Lokalredaktionen haben noch große Schwierigkeiten auf den digitalen Plattformen präsent zu sein. Auf den Social Media Accounts werden nur die wenigsten Beiträge und Neuigkeiten kommuniziert und meist nicht besonders ansprechend aufbereitet. Spezielle Formate für die jeweilige Plattform gibt es nicht. Wird ein Blick auf die Instagramaccounts von regionalen Zeitungen gewagt, ist dort kaum Berichterstattung zu der kommunalen Politik zu finden. In dem Wahlkreis der SPD-Bundesvositzenden Saskia Esken findet sich kein einziger Bericht über sie auf den Instagramkanälen der lokalen Redaktionen. Gleiches gilt für die Regionalzeitung von Potsdam, dem Wahlkreis von Bundeskanzler Olaf Scholz. Auch von Landespolitiker*innen und Kommunalpolitiker*innen ist dort nichts zu finden. Andere politische Nachrichten sucht man dort ebenfalls vergeblich. Dazu kommt, dass laut einer Umfrage auf Appinio 63 Prozent der über 25-Jährigen keine Kenntnis über kommunalpolitische Themen haben.

Ein Grund dafür ist sicherlich, dass das Interesse von Bürger:innen für kommunale Politik nicht besonders hoch ist. Dies bestätigt eine weitere Umfrage auf Appinio, laut der 68 Prozent der 20-25-Jährigen kein Interesse an kommunalpolitischen Themen haben. Wenn sich über Politik informiert wird, dann auf bundespolitischer, vielleicht noch auf landespolitischer Ebene. Dafür werden bundesweite Medien wie die Tagesschau, der Spiegel oder andere bundesweite Redaktionen konsumiert. Hier wird selbstredend keine kommunale Nachricht kommuniziert.
Und während die überregionalen Medien, auch aufgrund ihrer Bekanntheit, auf eine große Followerschaft blicken können, kommen regionale Zeitungen nicht über ein paar Tausend Follower hinaus. Die “Potsdamer Neusten Nachrichten” haben zum Beispiel nur knapp über neuntausend Follower auf Instagram. Mit Blick auf die heranwachsende Zielgruppe wird es immer schwieriger, Wähler:innen ohne die sozialen Medien zu kontaktieren. Bereits in der JIM-Studie von 2018 nutzen 94 Prozent der 12- bis 19-Jährigen ein Smartphone und 91 Prozent auch das Internet täglich. Nur 21 Prozent konsumieren Tageszeitungen. 84 Prozent dieser Altersgruppe konsumieren die Tagesschau. Es wird deutlich, dass die Entwicklung des Nachrichtenkonsums sich immer weiter von den kommunalpolitischen Nachrichten entfernt. Denn auch ihren Abgeordneten folgen die Menschen nicht. Kaum ein:e Wahlkreistabgeordnet:er kommt auf deutlich mehr als 5.000 Follower auf Instagram.

Die junge Zielgruppe und immer weniger auch die breite Masse wird noch von kommunalpolitischen Nachrichten erreicht. Das erschwert die Mobilisierung und führt zu geringen Wahlbeteiligungen. Direktmandate für Bundestags- und Landtagswahlen sowie für kommunale Ämter, bei denen die Partei mit auf dem Stimmzettel und in der Kommunikation (bspw. auf Wahlplakaten) präsent ist, werden so kommunikativ von der Wahrnehmung und den Botschaften der Bundespolitik geleitet.

Hinzu kommt, dass es immer mehr Möglichkeiten gibt, sich zu informieren. Es gibt allein in der reinen politischen Berichterstattung zahlreiche Instagramkanäle, Youtubekanäle, mehrere TV-Sender und Magazine. Die Diversität in den Medien hat viele Vorteile, sie sorgt aber auch dafür, dass in einer guten politischen Kampagne eine viel breitere Präsenz notwendig ist. Ohne eine gute strategische und zielgruppenspezifische Public Relation wird es unmöglich, die Wählerschaft über die Presse zu erreichen.

In der politischen Kommunikation stellt sich also die Frage: Wie können Bürger:innen unter diesen Umständen noch mit kommunalpolitischen Themen erreicht werden?

Mit den sozialen Plattformen kam auch die Möglichkeit für Politiker:innen über einen eigenen Kanal direkt mit den Bürger:innen zu kommunizieren. Bisher wurde dies noch viel zu wenig genutzt. Viele Politiker:innen und Parteien verstehen Social Media noch als Zweitverwertungskanal der analogen Welt. Viele Social-Media-Kanäle dienen lediglich zur Berichterstattung über Vororttermine oder für Repostings von TV-Auftritten oder Mitschnitten von Reden aus dem Plenum.
Social Media muss als eigenständiges Medium verstanden und eigenständig bespielt werden. Nur mit individuell für Social Media produzierten Inhalten wird auch eine organische Reichweitensteigerung auf kommunaler Ebene möglich sein. Der Content muss die Mechaniken und Eigenschaften von Social Media nutzen. Gleichzeitig natürlich Synergien mit der analogen Arbeit bilden. Eine gute politische Kommunikation funktioniert immer nur Hand in Hand mit der online und offline Kommunikation.

Marian Schreier hat bei der Oberbürgermeisterwahl in Stuttgart nicht nur mit hochwertiger visueller Kommunikation seine Vor-Ort-Termine begleiten lassen, sondern auch mit verschiedenen Formaten speziell für Instagram und Facebook die Kampagne auch online vorangetrieben. Er war der Erste, der in einem Wahlkampf einen eigenen Instagramfilter für seine Kampagne nutzte. Mit seinem Content erzählte er digital, ergänzend an die Gesamtkampagne, eine eigene Storyline und auch wenn offline kein Wahlkampf mehr gemacht worden wäre, hätte die Kampagne online weiterlaufen können.

An einer “Digital First” gedachten Kampagne und politischen Kommunikation während der Legislatur führt heute kein Weg mehr vorbei. Politiker:innen müssen lernen, dass sie sich für Social Media genau so viel Zeit nehmen müssen, wie für Termine bei Unternehmen und mit Einrichtungen und Organisationen.